Page 20 - Taxikurier September 2023
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NSDAP befürwortete das Begehren: „Beilie- kennung erhielt dann der heutige Halser- Der Irrwitz (3)
gendes Gesuch wird wärmstens befürwor- spitzplatz den Namen Schüleinplatz, die
tet. Heil Hitler! Sprenger Kreisleiter.“ In Halserspitzstraße den Namen Schüleinstra- Die Hermann-Levi-Straße in Schwabing
Nürnberg hatte die dort erscheinende „All- ße. Im Jahre 1933 erfolgte aus rassischen vom 30. Oktober 1913 trug die Widmung:
gemeine Brauer- und Hopfenzeitung“ in Er- Gründen die Umbenennung. Wir bitten und „Geboren 7.11.1839, gestorben 13.5.1900,
fahrung gebracht, in München seien nicht beantragen, den Halserspitzplatz und die königlicher Generalmusikdirektor in Mün-
etwa Schüleinplatz und Schüleinstraße ab- Halserspitzstraße wieder in Schüleinplatz chen, hervorragender Dirigent der Werke
geschafft, sondern vielmehr neu benannt und Schüleinstraße umzubenennen.“ Ober- Richard Wagners.“ Am 21. April 1938
worden. Am 2. Mai 1934 gab der stellver- bürgermeister Scharnagl entschied am nun wurde sie zur Schikanederstraße um-
tretende Gauleiter der NSDAP von Franken, 7. August 1945: „Gegen die Rückbenen- benannt: „Emanuel Schickaneder, Schau-
Karl Holz (1895-1945), einen geharnisch- nung bestehen keine Bedenken; es dürfte spieler und Textdichter der durch Mozarts
ten Brief in Richtung Münchner Rathaus vielmehr Ehrenpflicht der Stadt sein, den Vertonung unsterblich gewordenen Zauber-
auf die Post, dem die entsprechende Aus- früheren Zustand wieder herzustellen.“ flöte. Geboren 3.1.1748 zu Regensburg, ge-
gabe der „Hopfenzeitung“ beilag und in Am 17. August 1945 erging an die US-Mili- storben 21.9.1812 zu Wien.“ Aber in die-
dem er ultimativ zu wissen verlangte, wie tärbehörden die Bitte um Genehmigung. sem Fall hegte Oberbürgermeister Fiehler
so etwas passieren konnte. Postwendend Diese wurde gewährt und am 20. Septem- einen Verdacht, weshalb er entschied: „Un-
stellte Oberbürgermeister Fiehler am 4. Mai ber 1945 erhielten die Anwohner die ent- ter Vorbehalt der Benennung der Schikane-
klar: „Lieber Parteigenosse Holz! Ihr sprechende Nachricht. Die neue Halser- derstraße.“ Ein Blick in Hitlers Buch „Mein
Schreiben vom 2. des Monats habe ich er- spitzstraße liegt nunmehr seit 1955 in der Kampf“ scheint ihn dann überzeugt zu ha-
halten. Wie die Hopfenzeitung dazu kommt Nachbarschaft. ben, denn dort konnte er lesen, dass die
zu behaupten, dass die Stadt München in Freimaurerei mit ihren Gedanken der Tole-
der jetzigen Zeit einen Platz und eine Stra- ranz die Gleichberechtigung der Juden be-
ße nach dem Juden Josef Schülein benannt Der Irrwitz (2) fördere und daher ein Instrument der jüdi-
hat, weiß ich nicht. Ich stelle demgegen- schen Weltherrschaft sei. Und Schikaneder
über folgende Tatsache fest: Der Stadtrat Am 5. Juli 1923 entstand in Milbertshofen hatte den Freimaurern angehört. Und dies
München hat am 8. Juli 1920 einen Schü- die Mahlerstraße: „Gustav Mahler, bedeu- bedeutete, dass der kleine Verkehrsweg am
leinplatz und eine Schüleinstraße benannt, tender Dirigent und Komponist, geboren 8. Juni 1938 zur Brangänestraße wurde:
also zu einer Zeit, in der noch kein Natio- 7.7.1860 in Kalischt, gestorben 18.5.1911 „Die Begleiterin Isoldens in der bekannten
nalsozialist dem Münchener Stadtrat ange- in Wien.“ Die Sitzung des Stadtrates vom Dichtung von Gottfried von Straßburg und
hörte. Nach der Machtergreifung durch die 23. September 1937 brachte nun ihre Um- in der Oper Tristan und Isolde von Richard
Nationalsozialisten im Jahre 1933 hat der benennung – nicht etwa wegen mangelnder Wagner.“ Schikaneder kam dann doch noch
Stadtrat München eine Nachprüfung von musikalischer Verdienste, sondern allein 1947 in Pasing und Hermann Levi 1985 in
Straßenbenennungen vorgenommen zum wegen Mahlers jüdischer Herkunft. Nun Freimann zu Straßenehren.
Zwecke der Ausmerzung von Straßennamen, hieß sie Lena-Christ-Straße: „Geboren
die für die deutsche Stadt München uner- 30.10.1881 in Glonn, gestorben 30.6.1920
träglich sind. Es wurden dabei der Schü- in München, bedeutende bayerische Hei- Der Irrwitz (4)
leinplatz in Halserspitzplatz und die matdichterin.“ Kurz darauf, am 21. Oktober
Schüleinstraße in Halserspitzstraße um- 1937, kam der Verwaltung ein schlimmer Der Österreicher Adolf Hitler entzog sich
benannt. Heil Hitler!“ Laut Duden steht Verdacht, nämlich die sogenannte „Versip- dem heimatlichen Wehrdienst und wanderte
das Wort „Ausmerzung“ gleichbedeutend pung“ der frisch geehrten Schriftstellerin, deshalb 1913 ins Ausland, nach München
mit „Ausrottung“ und „Vernichtung“. Die denn ihr Ehemann hieß Peter Jerusalem- aus, weil er meinte, die österreichisch-
Vernichtung der Juden hatte also begon- Bendix. Das eilends mit dieser Angelegen- ungarische Armee unter Habsburger Füh-
nen, vorerst noch auf das Straßenschild heit beauftragte Stadtarchiv konnte jedoch rung sei eine Ansammlung verschiedener
beschränkt. am 23. März 1938 beruhigen: Trotz seines Rassen und Völkerschaften und insbeson-
Namens sei der Gatte „rein arischer Her- dere Juden würden dort eine unheilvolle
kunft“, so dass die Straße nicht noch ein- Rolle spielen. In seinem Buch „Mein
Wiedergutmachung mal umbenannt werden müsse. Kampf“ von 1924 hatte er zu erkennen
geglaubt: „Im Norden und im Süden fraß
Unmittelbar nach Kriegsende sandte die Das Stadtarchiv befasste sich intensiv mit das fremde Völkergift am Körper unseres
Bezirksvereinigung Neu-Berg-am-Laim am dem Thema und hatte bereits am 15. Sep- Volkstums, und selbst Wien wurde zuse-
14. Juli 1945 folgendes Schreiben an Ober- tember 1937 mitgeteilt, dass die Aufgabe hends mehr und mehr zur undeutschen
bürgermeister Scharnagl: „Unmittelbar nicht einfach zu lösen sei. Es bestünde bei Stadt.“ Nachdem Hitler – seit 1932 mit der
nach dem Ersten Weltkriege entstand durch der Vielzahl von Straßen in München immer deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet
das große Entgegenkommen des Geheimen noch die Möglichkeit, dass sich bei einge- – am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler
Kommerzienrates Schülein, der nicht nur hender Forschung immer noch der eine aufgestiegen war, konnte er sich an den
seine Gründe zu sehr anständigen Preisen oder der andere Namengeber als „jüdisch Habsburgern rächen und ließ in München
abgab und die Siedler mit Baukapital un- versippt“ entpuppen könne. Da sich das die Habsburgerstraße von 1893 und den
terstützte, die Siedlung um den gegenwär- Ende einer solch umfangreichen Untersu- Habsburgerplatz von 1896 umbenennen.
tigen Halserspitzplatz. Auch diesen Platz chung jedoch nicht absehen lasse, müsse Im Protokoll des Stadtrates vom 4. April
mit Zierbrunnen hat Geheimer Kommerzien- man sich darauf beschränken, die bereits 1939 liest man: „(…) hat den Antrag ge-
rat Schülein damals der Stadt München als Juden bekannten Namengeber zu stellt, den Habsburgerplatz und die Habs-
kostenlos abgelassen. In dankbarer Aner- benennen. burgerstraße den Zeitgeschehnissen ent-
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