Page 19 - Taxikurier September 2023
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Dort wo man
                                                                                   Bücher
           STADTKUNDE                                                              verbrennt,
                                                                                   verbrennt man
            ➔ JÜDISCHE STRASSENNAMEN                                               auch am Ende

                                                                                   Menschen.
                                                                                   Heinrich Heine
           Entfernung  jüdischer Straßenschilder – Von Benedikt Weyerer



           Bereits der Schriftsteller Heinrich Heine (1797–1856, Heinrich-Heine-Straße von 1956) hatte zu seinen Lebzeiten vorhergesagt:
           „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Dies galt seit 1933 auch für Straßenschilder.


             Typisch für Terrorregime gestern und   chener-Kindl-Brauerei und Anteile der Lö-  absolut keine Veranlassung, Joseph Schü-
             heute, sahen sich die Nationalsozialis-  wenbrauerei. Aber nicht deshalb hatte er   lein durch Benennung einer Straße und
             ten von äußeren und inneren Feinden   noch zu Lebzeiten die Ehrung erhalten, die     eines Platzes nach seinem Namen zu ehren.
             umringt und bedroht, obwohl sie selbst   Erklärung lautete vielmehr: „Kommerzienrat  Ich stelle daher folgenden Antrag: Da Kom-
             die größte Bedrohung für ihre Umwelt   Joseph Schülein, bekannt durch seine   merzienrat Joseph Schülein keine besonde-
             darstellten. Insbesondere sahen sie   wohltätigen und gemeinnützigen Stiftun-  ren Verdienste, weder in sozialer Hinsicht
             überall Juden am Werk. So kann es auch   gen.“ Sein soziales Engagement wurde ihm   noch um die Stadtgemeinde München im
             nicht erstaunen, dass die Entfernung   allerdings später nicht gedankt – im Ge-  Besonderen, nachgewiesen werden können
               jüdischer Namengeber von den Straßen-  genteil: Als Jude sprach man ihm nach der   und somit keine Veranlassung besteht, dass
             schildern eine hohe Priorität genoss und  Machtübergabe an die NSADP 1933 seine   in einem nationalsozialistischem Staat eine
             schon am 7. Dezember 1933 in Angriff   Verdienste ab. Am 23. September 1933 traf   Straße und ein Platz nach einem Juden be-
             genommen wurde. Vier Beispiele:    bei der NS-Stadtratsfraktion folgendes bös-  nannt werden, stelle ich den Antrag, dass
                                             artige Schreiben ein: „Auf meinen Besichti-  die  Schüleinstraße und der Schüleinplatz
                                             gungsfahrten musste ich feststellen, dass   in Berg am Laim umbenannt werden.“ Am
           Der Irrwitz (1)                   in Berg am Laim sowohl eine Straße als   7. Dezember 1933 entsprach der Stadtrat
                                             auch ein Platz nach dem Juden Kommer-  diesem Antrag auf Umbenennung, und zwar
           Bereits am 23. September 1922 brachte die   zienrat Joseph Schülein benannt sind. Im   in Halserspitzplatz und Halserspitzstraße.
           NS-Tageszeitung „Völkischer Beobachter“   Stadtadressbuch ist hierzu wie folgt ver-
           aus München auf der ersten Seite die   merkt: ‚Kommerzienrat Joseph Schülein,
           Schlagzeile „Verjudaisierung der bayeri-  bekannt durch seine wohltätigen und ge-  Allgemeine Aufregung
           schen Brauindustrie“. Die ersten Sätze des   meinnützigen Stiftungen.’ Schülein war
           Artikels seien hier zitiert. An sich könnte   Hauptaktionär und Aufsichtsrat-Vorsitzen-  Die Entscheidung des Jahres 1933 scheint
           man über diesen Schwachsinn nur lachen,   der der Löwenbrauerei und bei seinem   nicht sofort bekannt geworden zu sein,
           wäre er nicht auch schon damals mörde-  nicht unbeträchtlichen Einkommen und   wohl auch, weil die neuen Straßenschilder
           risch ernst gemeint gewesen: „Es gab eine   großem Vermögen dürfte es wohl nicht als   nicht umgehend besorgt werden konnten.
           Zeit in Deutschland, da waren wenigstens   besonderes Verdienst anzurechnen sein,   Am 13. Dezember 1933 lief das nächste
           die Brauereien vollkommen judenrein und   wenn er von diesen Geldern wieder einen   Schreiben aus der Bevölkerung ein. Der NS-
           in Preußen war die Beschäftigung von Ju-  kleinen Bruchteil der Allgemeinheit für be-  DAP-Sektionsleiter von Berg am Laim, Ge-
           den im Brauereigewerbe untersagt. Und bis   stimmte Zwecke zur Verfügung stellte. Mei-  org Bierling aus der Josephsburgstraße 76,
           in die allerjüngste Zeit war das Brauerge-  nes Erachtens war dies sogar seine Pflicht,   beantragte: „Im Stadtbezirk 31 Berg am
           werbe sozusagen national und man konnte   nachdem er ja gerade aus den Schichten   Laim befindet sich immer noch ein Schü-
           sicher sein, dass man, wenn man sein Bier   des arbeitenden Volkes sein Geld bezog,    leinplatz und eine Schüleinstraße, benannt
           oder seinen Met trank, auch nicht indirekt   da in Bayern das Bier in erhöhterem Maße   nach dem Juden Schülein, Direktor der
           mit Juden etwas zu tun hatte. Im heutigen   Volksgetränk ist als in anderen Teilen   Unionsbrauerei. Wir ersuchen um Umbe-
           Judendeutschland ist nun wohl so ziemlich   Deutschlands. Außerdem hat meines Wis-  nennung des Platzes und der Straße, da es
           alles verjudet und gerade Sprit und Likör,   sens gerade Schülein dafür gesorgt, dass   für uns nicht besonders erhebend ist, im-
           der Groß-Schnapshandel und das Bier ist    der größte Teil der Landbrauereien Bayerns   mer an Alljuda erinnert zu werden. Es ist
           zu einem beträchtlichen Teil in jüdische   (mehrere 1000 Betriebe) durch die Löwen-  ebenfalls allgemeiner Wunsch der Anwoh-
           Hände gegangen. Einiges darüber soll hier   brauerei aufgekauft wurden. Sämtliche   nerschaft an genannter Straße und Platz.
           einmal öffentlich ausgesprochen werden,     aufgekauften Betriebe wurden sofort ge-  Heil Hitler! Bierling.“ Der Brief wurde auch
           damit die Bier- und Schnapstrinker im All-  schlossen, wodurch die in Bayern blühende   von anderen, mit ihrer Wohnadresse nicht
           gemeinen und die lieben Münchner im Be-  Land-Bier-Industrie vollständig vernichtet   Betroffenen unterstützt: „Die Ortsgruppen-
           sonderen es wissen.“ Diese Zeilen bezogen   wurde. Die daraus sowohl für die einschlä-  leitung Ramersdorf schließt sich dem Ge-
           sich gegen die Benennung von Schülein-  gige Industrie und das Handwerk als auch   such der Sektionsleitung Berg am Laim in
           platz und Schüleinstraße in Berg am Laim   für den Arbeitslosenmarkt entstandenen   vollstem Sinne an. Heil Hitler! Der Orts-
           vom 8. Juli 1920. Joseph Schülein (1854–  und zugefügten Schäden sind gar nicht zu   gruppenleiter, Habermann.“ Damit nicht
           1938) besaß die Unionsbrauerei, die Mün-  übersehen. Aus diesem Grunde besteht also   genug: Auch der Kreis III München-Ost der




                                                                                      SEPTEMBER 2023 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 19
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