Page 23 - Taxikurier Oktober 2023
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ein autonomer Begriff des Unionsrechts. In   damit in der Sache gleich (Immenga/Mest-  Nach diesem weiten Wettbewerbsbegriff
           dieser Funktion sichert er die einheitliche   mäcker, Wettbewerbsrecht § 1 GWB   steht außer Zweifel, dass der Wettbewerb
           Anwendung und Durchsetzung des europäi-  Rn. 33).                   zwischen Taxiunternehmen mit streitgegen-
           schen Wettbewerbsrechts. Nach ständiger                             ständlicher Außenwerbung und Taxiunter-
           Rechtsprechung umfasst er jede wirtschaft-  Bei der nachrangigen Vermittlung handelte   nehmen ohne entsprechende Außenwerbung
           liche Tätigkeit, unabhängig von ihrer   es sich auch nicht um eine rein genossen-  ebenso wie zwischen Taxiunternehmen
           Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung   schaftsinterne betriebsorganisatorische   und Anbietern von Mietwagen mit Fahrern
           (EuGH ECLI:-EU:-C:-1999:-430 Rn. 77 –   Maßnahme zur Regelung der betriebsinter-  auf dem Markt für Personenbeförderung -
             Albany; EuGH ECLI:-EU:-C:-1991:-161   nen Tourenvermittlung auf dem Markt der   einschließlich der Komponente Fahrzeug-
           Rn. 21 – Höfner und Elser; EuGH ECLI:-  Fahrgastvermittlungen (auf welchem die   außenwerbung - von § 1 GWB geschützt
           EU:-C:-1991:-254 Rn. 31 –         Antragsgegnerin selbst tätig ist), sondern   ist.
           ERT/DEP;  EuGH ECLI:-EU:-C:-1998:-303   um eine Maßnahme, die nach dem erklär-
           Rn. 36 – Kommission/Italien; EuGH    ten Willen der Antragsgegnerin Auswirkun-  bb. Beschränkung
           ECLI:-EU:-C:-2002:-98 Rn. 46 – Wouters; EuGH    gen auf den nachgelagerten Markt der
           ECLI:-EU:-C:-2004:-150 Rn. 46 – AOK; EuGH      Personenbeförderung haben sollte, auf wel-  Der Beschluss bezweckt auch eine Ein-
           ECLI:-EU:-C:-2012:-449 Rn. 35 – Compass-   chem die angeschlossenen Taxiunterneh-  schränkung des Wettbewerbs.
           Datenbank; EuGH                   mer, einschließlich ihrer wirtschaftlichen
           ECLI:-EU:-C:-2015:-613 Rn. 33 – Total/  Tätigkeitskomponente „Vermarktung ihrer   Mit der Androhung von Nachteilen für das
           Kommission.). Tatbestandsmerkmale des   Taxi-Außenflächen als fahrende Werbeflä-  Fahren solcher Werbung bzw. - als deren
           Unternehmensbegriffes sind daher die   chen“, mit den Anbietern von Mietwagen   Kehrseite - der Auslobung von Vorteilen
           „wirtschaftliche Tätigkeit“ und das Vorlie-  mit Fahrern in Wettbewerb stehen. Denn   für den Verzicht auf das Fahren solcher
           gen einer „autonom agierenden Einheit“.  eine nachrangige Berücksichtigung bei   Werbung wird ein Kartellgewinnanreiz
                                             Fahrtaufträgen bedeutet einen Wettbe-    geschaffen, der den Wettbewerb zwischen
           Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei   werbsnachteil für  einen Personenbeförde-  Taxi unternehmern mit solcher Außen-
           der Antragsgegnerin selbst um ein Unter-  rungsanbieter.            werbung und Taxiunternehmern, die
           nehmen, das im Markt der Fahrtvermittlun-                           eine solche  Außenwerbung nicht fahren
           gen zwischen Fahrgästen und Taxen tätig   c) Wettbewerbsbeschränkung  wollen, be einflusst, jedenfalls beeinflus-
           ist, da sie in diesem Markt autonom, d.h.                           sen soll.
           durch ihren Vorstand selbstbestimmt, eine   Gem. § 1 GWB sind Beschlüsse von Unter-
           wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich Fahrgast-  nehmensvereinigungen, die eine Verhinde-  Die Androhung von Nachteilen im Falle der
           vermittlungen, entfaltet. Darüber hinaus   rung, Einschränkung oder Verfälschung des   Entscheidung eines der Antragsgegnerin
           handelt es sich bei der Antragsgegnerin   Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,   angeschlossenen Taxiunternehmens, seine
           gleichzeitig auch um eine Unternehmens-  verboten.                  Taxen mit der hier streitgegenständlichen
           vereinigung der selbständigen Taxiunter-                            Außenwerbung fahren zu lassen, stellt eine
           nehmer, die ihr „angeschlossen“ sind oder   aa. Wettbewerb          Beeinträchtigung von dessen autonomer
           die bei ihr Mitglieder sind, ohne ihre Funk-                        wirtschaftlicher Handlungsfreiheit dar,
           vermittlungsdienstleistungen in Anspruch   § 1 GWB schützt den Wettbewerb in all     indem sein unternehmerischer Entschei-
           zu nehmen. Diese selbständigen Taxiunter-    seinen Erscheinungsformen auf sämtlichen   dungsprozess durch die angedrohten
           nehmer sind auf dem - vom Fahrtvermitt-  Handelsstufen gegen jegliche Form der     Nachteile beeinflusst wird. Der bei der An-
           lungsmarkt zu unterscheidenden - Markt     Beschränkung - den Angebotswettbewerb   tragsgegnerin gelisteten Taxifahrer muss
           der Personenbeförderung tätig. Eine Kom-  ebenso wie den Nachfragewettbewerb, den   fürchten, bei der Vergabe von Aufträgen in
           ponente der wirtschaftlichen Tätigkeit der   Herstellerwettbewerb ebenso wie den   spürbarer Weise benachteiligt zu werden
           selbständigen Taxiunternehmer ist auch die   Händlerwettbewerb, den Preiswettbewerb   und soll so dahingehend beeinflusst
           Vermarktung ihrer Taxi-Außenflächen als   ebenso wie den Qualitäts-, Mengen- oder     werden, für die Dienstleistungen der An-
           „fahrende Werbeflächen“.          Innovationswettbewerb. Es findet grund-  tragstellerin nicht länger zu werben. Dies
                                             sätzlich keine Abwägung und Bilanzierung   berührt gleichzeitig die Wettbewerbsmög-
           b) Bei dem angegriffenen Beschluss han-  zwischen verschiedenen Handelsstufen oder  lichkeiten der Antragstellerin, denn die
           delt es sich auch um einen Beschluss einer   dem Einsatz verschiedener Wettbewerbs-  streitgegenständliche Maßnahme zielt im
           Unternehmensvereinigung im Sinne von    parameter statt. Führt eine Vereinbarung   Ergebnis darauf ab, die Möglichkeiten der
           § 1 GWB.                          neben der Beschränkung des Wettbewerbs   Antragstellerin, für ihre Leistungen zu
                                             auch zu Vorteilen, kann dies eine Freistel-    werben, einzuschränken.
           Dass die fragliche Entscheidung nicht durch  lung der Vereinbarung nach § 2 rechtferti-
           die Mitglieder erfolgte, sondern durch den   gen, wenn die Verbraucher an den Verbes-  Dies ist von der Antragsgegnerin erkennbar
           Vorstand der Antragsgegnerin, ist in die-  serungen angemessen beteiligt werden.   auch bezweckt. Die Antragsgegnerin räumt
           sem Zusammenhang ohne Belang. Für die   Geschützt wird nicht nur der Wettbewerb,   selbst ein, dass sie die Leistungsfähigkeit
           Antragsgegnerin als Unternehmensvereini-  der durch bereits auf einem Markt tätige   des Taxigewerbes und die Wettbewerbsstel-
           gung der selbständigen Taxiunternehmen   Unternehmen ausgeübt wird (aktueller   lung „treuer” Taxifahrer schützen will. Der
           konnte ihr Vorstand als Leitungsorgan un-  Wettbewerb), sondern auch der durch den   Zweck der Maßnahme ist damit der Schutz
           abhängig vom Willen und faktischen Ein-  Markteintritt neuer Unternehmen entstehen  der Antragsgegnerin und ihrer Mitglieder
           verständnis der Mehrheit der Mitglieder   könnte (potenzieller Wettbewerb). § 1 fin-  vor Konkurrenz durch andere plattformba-
             einen Beschluss fassen. Dieser steht dem   det gleichermaßen auf horizontale und ver-  sierte Vermittlungsunternehmen und ande-
           Beschluss einer Unternehmensvereinigung   tikale Vereinbarungen Anwendung.  ren Fahrtangeboten.




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