Page 24 - Taxikurier Oktober 2023
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cc. Rechtfertigung esse, dass Fahrten nur (oder bevorzugt) zur Einschränkung des Verbotstatbestands
von reinen Taxizentralen vermittelt werden entwickelt wurde. Demnach seien die einem
Die beabsichtigte Wettbewerbsbeschrän- dürften. Es liegt auch nicht im Allgemein- von der Rechtsordnung zugelassenen ge-
kung ist auch nicht gerechtfertigt. interesse, dass Personenbeförderungen nur genseitigen Vertrag von Natur aus inne-
von Taxen und nicht auch von entspre- wohnenden Beschränkungen als Bestand-
Dabei ist für die Frage, ob die mit dem Be- chend zur Personenbeförderung lizenzier- teil des Vertrages gerechtfertigt. (MüKo
schluss verbundenen wettbewerbsbeschrän- ten Anbietern von Mietwagen mit Fahrern GWB/Säcker/Zorn, § 1, Rnr. 179) Da das
kenden angeboten werden dürften. Vielmehr liegt EU-Recht jedoch keinen Vorrang nationaler
es im Allgemeininteresse an ungehindertem Rechtsinstitute zulässt, besteht im Rahmen
Wirkungen zur Verfolgung eines legitimen Leistungswettbewerb, dass auch Plattfor- der Übernahme der Rechtsprechung des
(nichtwettbewerblichen) Zieles erforderlich manbieter wie die Antragstellerin ungehin- EuGH kein Raum mehr für ein solches
sind, der Gesamtzusammenhang, die Wir- dert um Vermittlungsaufträge mit der An- Konzept. Zulässig sind nach der Recht-
kungen und das Ziel des Beschlusses zu tragsgegnerin konkurrieren dürfen und dass sprechung des BGH nur noch solche Neben-
würdigen. Die Maßnahme ist dann gerecht- auch die gemeinsamen Kunden, nämlich abreden, die zur Erreichung eines kartell-
fertigt, wenn die durch den Beschluss auf- selbständige Taxiunternehmer - und Anbie- rechtsneutralen Hauptzwecks des Vertrages
erlegten Beschränkungen notwendig sind, ter von Mietwagen mit Fahrern -, ungehin- unverzichtbar sind, sodass ohne diese kein
um die Umsetzung legitimer Zwecke sicher- dert untereinander in Leistungswettbewerb Vertrag zustande käme. Die Wettbewerbs-
zustellen, und das Ziel nicht durch einen treten können. einschränkung muss sachlich erforderlich
weniger wettbewerbseinschränkenden und zeitlich, räumlich und gegenständlich
Beschluss hätte erreicht werden können. Auch der Satzungszweck „Förderung beson- darauf beschränkt sein, den mit dem
(MüKo GWB/Paschke, § 1, Rnr. 118). Das ders der wirtschaftlichen und gewerblichen Austauschvertrag verfolgten Zweck zu er-
ist vorliegend nicht der Fall. Interessen der Mitglieder“ lässt gerade kei- reichen. (MüKo GWB/Säcker/Zorn, § 1,
ne Kartellrechtsneutralität erkennen, denn Rnr. 180)
Die Antragsgegnerin beruft sich ohne Er- Zweck eines Kartells ist stets die Erzielung
folg darauf, dass die streitgegenständliche eines Kartellgewinns, der immer im wirt- Auch nach dieser Maßgabe liegt im Streit-
Maßnahme zulässigen Zielen gemäß § 2 schaftlichen und gewerblichen Interesse fall keine Ausnahme vom grundsätzlichen
Abs. 1d) ihrer Satzung diene, wonach ins- der Kartellanten liegt. Soweit die Antrags- Verbot wettbewerbsbeschränkender Maß-
besondere die Förderung des Taxigewerbes gegnerin ihren Zweck der Förderung des nahmen vor. Bei dem Vorstandsbeschluss
im Allgemeinen und besonders der wirt- Taxigewerbes dahingehend weiter konkreti- der Antragsgegnerin handelt es sich schon
schaftlichen und gewerblichen Interessen siert hat, sie wolle mit dem streitgegen- nicht um eine Vertragsabrede im Sinne
der Mitglieder Satzungszweck seien. Insbe- ständlichen Beschluss solche Taxen för- einer Nebenabrede des Genossenschafts-
sondere kann sich nicht darauf berufen, dern, die unpopuläre Fahrten wie z.B. mit vertrages. Eine solche könnte nur das sat-
dass die fragliche Maßnahme zur nachhalti- Kranken, Kindern und Behinderten zuver- zungsgebende Organ der Antragsgegnerin
gen Sicherung des Zwecks und der Funkti- lässig abdecken, ist ihre Maßnahme diesbe- im Sinne einer Willensbildung der Mitglie-
onsfähigkeit der Antragsgegnerin und auch züglich nicht zielgerichtet. der vereinbaren. Erst recht nicht ist aber
zur Sicherung eines funktionsfähigen Taxi- die Nachrangbehandlung von Taxen mit der
gewerbes erforderlich sei und damit genos- Zulässiger kartellrechtsneutraler Satzungs- streitgegenständlichen Werbung für das
senschaftsimmanent. zweck kann daher nicht der Schutz des Ge- Funktionieren der Antragsgegnerin als Ge-
schäftsmodells der Antragsgegnerin oder nossenschaft zwingend erforderlich. Die
Denn auch aus diesem Vortrag ergibt sich auch des Geschäftsmodells ihrer Mitglieder Antragsgegnerin hat als Genossenschaft
keine Rechtfertigung der vorliegenden (des Taxigewerbes) gegenüber neuen Wett- auch schon vor Einführung der Maßnahme
Wettbewerbseinschränkung durch den Be- bewerbern am Markt sein. Ein Wettbewerb funktioniert. Und soweit die Antragsgegne-
schluss über die Nachrangbehandlung der der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin rin vorträgt, dass sie mit dem Beschluss
Taxen, die Außenwerbung für Vermittlungs- und ähnlichen plattform-basierten Fahrt- ihre Existenzgefährdung durch Abwande-
plattformen fahren, die keine reinen Taxi- vermittlern ist von der Antragsgegnerin rung von Kunden zu Wettbewerbern im Ver-
zentralen sind. Ziel des Beschlusses ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie der mittlungsmarkt, wie der Antragstellerin,
erklärtermaßen eine Einwirkung auf die Wettbewerb ihrer Mitglieder mit den Anbie- oder zu Anbietern von Mietwagen mit Fah-
Taxiunternehmer, damit diese sich entwe- tern von Mietwagen mit Fahrern, auch rern, vermeiden oder verringern möchte,
der gegen eine Außenwerbung der streit- wenn er ruinöser Natur ist, denn es liegt in stellt dies gerade keinen kartellrechtsneut-
gegenständlichen Art entschließen oder der Natur des Wettbewerbs, dass auch ein- ralen Hauptzweck des Vertrages dar, son-
diese Nachteile bewusst in Kauf nehmen, gesessene Marktteilnehmer von neuen dern im Gegenteil eine von der Antrags-
wodurch sich ein Kartellgewinn der durch Marktteilnehmern verdrängt werden kön- gegnerin bezweckte Einschränkung des
die Vorzugsbehandlung bevorzugten Taxi- nen. Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Wettbewerbs.
unternehmer ergibt, da sie insoweit nicht Verbot wettbewerbsbeschränkender Be-
mit den benachteiligten Taxiunternehmen schlüsse im Sinne einer Rechtfertigung ist dd. Spürbarkeit
in Wettbewerb treten müssen. nur bei der Verfolgung nichtwettbewerbli-
cher Ziele möglich. Seit der Expedia-Entscheidung des EuGH
Ein kartellrechtsneutrales Ziel ist aber in (Urt. v. 13.12.2012, C-226/11, Expedia
der Bestrafung von Fahrzeugaußenwerbung Soweit die Antragsgegnerin ihren Beschluss Inc. / Autorité de la concurrence u.a.,
für Vermittlungsplattformen, die keine als genossenschaftsimmanent gerechtfer- GRUR Int 2013, 285ff) kann das unge-
reinen Taxizentralen sind, selbst nicht er- tigt sieht, könnte dies auf die sogenannte schriebene Tatbestandsmerkmal der „Spür-
kennbar. Es liegt nicht im Allgemeininter- „Immanenztheorie“ hinweisen, die früher barkeit“ im Sinne eines „immanenten
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