Page 18 - Taxikurier Oktober 2021
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JUBILÄUM
➔ 45 JAHRE WEISSER RING E.V.
45 Jahre Hilfe für Kriminalitätsopfer
Wussten Sie, dass die erste Realityshow des Deutschen Fernsehens
„Aktenzeichen XY“ war? Bereits 1967 strahlte das ZDF die bis heu-
te erfolgreiche Sendung aus, in der reale Verbrechen nachgestellt
und mit Hilfe der Zuschauer Verbrecher gesucht werden. Aber was
hat das mit dem Opferhilfeverein WEISSER RING e.V. zu tun? Zuerst
einmal nichts, sollte aber bei Gründung des Vereins eine entschei-
dende Rolle spielen. Der Journalist Eduard Zimmermann aus Mün-
chen begann mit dieser Sendung seine Fernsehlaufbahn. Bei dieser
Arbeit knüpfte er viele Kontakte mit der Polizei, aber auch mit An-
wälten und Politikern. Dabei wurde ihm immer bewusster, dass bei
fast jeder Berichterstattung der Täter im Mittelpunkt des Interesses
stand, nie das Opfer. Das Interesse für die Motive von Verbrechern
ist nach wie vor für die Außenstehenden mit einer Mischung aus Es begann ein langer Weg, um dem Gesetzgeber die Folgen von
Grusel und Abscheu, aber auch Faszination besetzt. Die Leiden der opferfeindlichen Gesetzen vor Augen zu führen. Dazu kam die völlig
Opfer und ihrer Angehörigen ist dagegen, wenn überhaupt, von nachvollziehbare Reaktion vieler Menschen bei diesem Thema:
Mitleid geprägt. „Opfer sind immer nur die anderen, mir passiert so etwas nicht …“
Von seiner Gründung bis heute hat der Verein viel erreicht und ist
zu einer unüberhörbaren Stimme für die Kriminalitätsopfer gewor-
Das Opfer ohne Rechte den. Etwa 50.000 Mitglieder unterstützen den WEISSER RING e.V.,
der bis heute keine staatlichen Gelder erhält und damit seine Unab-
Diese Erfahrung ließ Eduard Zimmermann eruieren, welche staat- hängigkeit und Neutralität bewahren konnte. Die Finanzierung wird
lichen Hilfen und rechtlichen Unterstützungen dem Opfer einer ausschließlich durch Spenden, Mitgliedsbeiträge, Vermächtnisse
Straftat zur Verfügung stehen. Schnell stellte er fest, dass es und durch Geldbußen gesichert. Dabei sind die Geldbußen der
eigentlich nichts gab. Das Opfer war bei der Polizei ein Zeuge Gerichte der geringste Anteil an den Einnahmen. Mehr als 3.200
der Tat und hatte kaum Rechte. Das Gleiche galt im Strafprozess. ehrenamtliche Helfer betreuen die Opfer, erledigen mit ihnen Be-
Als Zeuge ohne Beistand durfte es im besten Falle auf die Unter- hördengänge, beraten über staatliche Hilfsmöglichkeiten, begleiten
stützung der Staatsanwaltschaft hoffen, mehr aber auch nicht. zu Anwälten, Polizei und Gericht und vor allem, sie hören den Men-
schen in ihren Notlagen zu.
Aus dieser äußerst unbefriedigenden Situation heraus, erwuchs in
Zimmermann die Idee, diesen Zustand mit Hilfe eines Vereins für
die Opfer von Straftaten zu ändern. Nun kamen ihm seine Kontakte Neue Entwicklungen
zu Gute und am 24. September 1976 war es dann soweit. 17 Per-
sönlichkeiten des öffentlichen Lebens gründeten den WEISSEN Mit den Veränderungen in der Gesellschaft hat sich die Arbeit der
RING e.V. Darunter waren u.a. der damalige Polizeipräsident Mün- ehrenamtlichen Mitarbeiter auch gewandelt. Die Gesetzgebung hat
chens, Prof. Dr. Manfred Schreiber, der damalige Präsident des erkannt, dass es zur Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft
Bundeskriminalamtes, Dr. Horst Herold, oder auch Dr. Walter gehört, Opfer von Straftaten zu unterstützen und alle Taten, die die
Wallmann, ehemaliger Bundesminister und Ministerpräsident des körperliche und psychische Unversehrtheit beeinträchtigen, in den
Landes Hessen. Straftatenkatalog aufgenommen werden müssen. So wurden z. B.
Stalking oder auch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.
Die Gesetze, Kindesmissbrauchs betreffend, wurden verschärft und
Erster Opferhilfeverein weltweit das Opferentschädigungsgesetz immer wieder novelliert. Der WEISSE
RING e.V. hat an dieser Entwicklung einen entscheidenden Anteil.
Diese 17 Personen legten die Grundlage für die erfolgreiche Arbeit
des Vereins für die Opfer von Kriminalität. Einerseits sollten die Aber auch der Verein hat sich weiter entwickelt. Heute bieten die
Opfer Unterstützung erhalten, andererseits wollten Sie eine Stim- Mitarbeiter Online-Beratung und ein Opfertelefon an, um die Hürde
me sein, um die Rechte von Opfern ins Bewusstsein der Entschei- für die Hilfesuchenden so niedrig wie möglich zu halten. In jedem
dungsträger zu bringen. Dazu muss man wissen, dass durch die Landkreis bzw. Stadt gibt es eine Außenstelle, die ihre Hilfe anbie-
Achtundsechziger – Bewegung eine Fixierung auf Täterrechte und tet. Die Helfer verstehen sich als Lotsen im Hilfesystem, da es
Humanisierung der Haftbedingungen erfolgt war. Dabei waren die mittlerweile verschiedene Möglichkeiten der staatlichen oder halb-
Kriminalitätsopfer völlig aus dem Focus gewichen. staatlichen Unterstützungen gibt, die aber alle eines Antrages
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