Page 16 - Taxikurier März 2024
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
An geöffneter Fahrzeugtür Vorbeifahrender muss Alleinhaftung des Vorbeifahrenden
mindestens einen Meter Seitenabstand einhalten
Nach Auffassung des Landgerichts überwiege hier aber das Ver-
schulden des Beklagten als Vorbeifahrenden, so dass dieser trotz
Fehlende Einhaltung des Seitenabstands kann Alleinhaftung des beiderseitigen Verkehrsverstoßes für die Unfallfolgen allein
für Kollision begründen haften müsse. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass sich
ein näherndes Fahrzeug die von weitem sichtbare Tür erkennen
Ist für einen Fahrzeugführer eine geöffnete Fahrzeugtür erkennbar, und sich darauf einstellen würde.
so muss er mindestens einen Seitenabstand von einem Meter ein-
halten. Tut er das nicht und kommt es zu einer Kollision, so kann (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023 – 13 S 8 ⁄ 23)
dies seine Alleinhaftung begründen. Dies hat das Landgericht
Saarbrücken entschieden.
Verkehrsunfall mit einem Rettungswagen:
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2021 kam Beide Parteien zahlen Hälfte
es im Saarland zu einem Zusammenstoß zwischen einem fahrenden
Pkw und der geöffneten Fahrzeugtür eines am Straßenrand parken-
den Fahrzeugs. Dessen Halter hatte gerade das Fahrzeug durch Verstoß gegen Sorgfaltspflichten begründet Haftungs-
die hintere Tür auf der Fahrerseite beladen. Er klagte schließlich verteilung bei Zusammenstoß eines Notarzteinsatzfahrzeugs
gegen den Halter des vorbeifahrenden Fahrzeugs auf Zahlung von mit bei grünem Licht querenden
Schadensersatz.
Ein Rettungsdienstfahrer darf eine Kreuzung bei Rot nur über-
queren, wenn er sich überzeugt hat, dass er von den anderen
Amtsgericht nahm hälftige Haftungsverteilung vor Verkehrs teilnehmern wahrgenommen wurde. Kommt es zur Kolli-
sion mit einem bei Grün querenden Fahrzeug, weil dessen Fahrer
Das Amtsgericht Völklingen nahm eine hälftige Haftungsverteilung den Rettungswagen aus Unachtsamkeit übersehen bzw. überhört
vor. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers. hat, kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht, bestätigte
das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit seiner Ent-
scheidung das angefochtene landgerichtliche Urteil.
Landgericht bejaht Anspruch auf vollen Schadensersatz
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrs-
Das Landgericht Saarbrücken entschied zu Gunsten des Klägers. unfall. Das Fahrzeug der Klägerin und das Notarzteinsatzfahrzeug
Ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung des vollen Schadensersatzes der Beklagten fuhren zeitgleich auf eine ampelgeregelte Kreuzung
zu. Zwar sei ihm ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO anzulasten. in Wetzlar zu. Die Ampel für das Klägerfahrzeug sprang auf Grün,
Dafür spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins. Dem Be- die Ampel für das Einsatzfahrzeug zeigte zu dieser Zeit Rot. Da das
klagten sei ein Verkehrsverstoß nach § 1 Abs. 2 StVO anzulasten. vor dem Klägerfahrzeug stehende Fahrzeug trotz Grünlichts nicht
anfuhr, wechselte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auf die
linke Spur und fuhr in den Kreuzungsbereich ein. Dort kollidierte
Einhaltung eines Seitenabstands von mindestens 1 m bei er mit dem Einsatzwagen, welches mit eingeschaltetem Blaulicht
Erkennbarkeit einer geöffneten Fahrzeugtür und Martinshorn fuhr. Bei beiden Fahrzeugen entstanden Sach-
schäden. Die Klägerin begehrt 75 % des Schadens von der Beklag-
Dem Beklagten sei nach Ansicht des Landgerichts die Nichteinhal- ten. Das Landgericht hatte nach Beweisaufnahme eine hälftige
tung eines ausreichenden Seitenabstands anzulasten. Zwar reiche Schadensteilung ausgeurteilt.
grundsätzlich ein Seitenabstand von ca. 50 cm eines vorbeifahren-
den Pkw zu einem geparkten Pkw aus. Ein Seitenabstand von unter
1 m genüge jedoch dann nicht, wenn auf dem Seitenstreifen ne- Verkehrssicherheit stets vorrangig
ben der Fahrbahn ein Pkw mit geöffneter Fahrzeugtür steht und
jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden Das OLG hat auf die Berufungen beider Parteien bestätigt, dass
muss oder in der geöffneten Tür eine Person steht. Letzteres sei von einer Haftungsquote von 50 % zu 50 % auszugehen sei. Der
hier der Fall gewesen. Fahrer des Notarztwagens habe seine Sorgfaltspflichten bei der
Wahrnehmung von Sonderrechten verletzt. Zwar sei ein Fahrzeug
des Rettungsdienstes bei einer Einsatzfahrt von den Vorschriften
der StVO befreit. Dennoch komme den Erfordernissen der Verkehrs-
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