Page 17 - Taxikurier März 2024
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sicherheit stets Vorrang gegenüber den Interessen des Einsatz-
           fahrzeugs am raschen Vorwärtskommen zu, führte das OLG aus.
           Je mehr der Sonderrechtsfahrer von Verkehrsregeln abweiche,
           umso höhere Anforderungen seien an seine Sorgfalt einzuhalten.
           Er dürfe deshalb eine Kreuzung nur dann bei Rot überqueren,
           wenn er sich überzeugt habe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer
           ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt hätten.
           Solange bei einer querenden Straße mit mehreren Fahrspuren eine
           Fahrspur frei sei und nicht durch wartende Fahrzeuge blockiert
           werde, dürfe der Sonderrechtsfahrer nicht darauf vertrauen, dass
           er die Kreuzung gefahrlos überqueren könne. „Es gibt nach höchst-
           richterlicher Rechtsprechung (...) keinen allgemeinen Vertrauens-
           grundsatz zugunsten des bevorrechtigten Fahrers, durch Ein-  Die Klägerin begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Wegen
           schaltung des Blaulichts und des Martinshorns seien die übrigen   in Tatmehrheit im Sinne des Strafgesetzbuchs begangener fahrläs-
           Ver kehrsteilnehmer schon in ausreichender Weise gewarnt“,    siger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlicher Trunkenheit im
           führte das OLG aus.                                Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort
                                                              hatte sie das Amtsgericht K. rechtskräftig zu einer Geldstrafe ver-
                                                              urteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen.
           Nichtbeachtung von Sondersignale stellt erheblichen
             Verkehrsverstoß dar                              Nach den Feststellungen im Strafurteil fuhr die Klägerin am
                                                              2. April 2015 mit ihrem PKW in alkoholbedingt fahruntüchtigem
           Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe ebenfalls einen erheb-  Zustand (Blutalkoholkonzentration von 0,68 Promille) auf den
           lichen Verkehrsverstoß begangen. Er habe nicht auf die Sondersig-  Parkplatz eines Supermarkts. Nach dem Einkauf parkte sie rück-
           nale des Einsatzfahrzeugs geachtet. Er habe auch nicht beachtet,   wärts aus und fuhr dabei auf einen hinter ihrem Fahrzeug stehen-
           dass das vor ihm auf der rechten Spur stehende Fahrzeug mit   den PKW auf. Sie stieg aus und begutachtete den entstandenen
           Grund stehengeblieben sein könnte. „Ein umsichtiger Fahrer hätte   Schaden. Anschließend fuhr sie in ihre Wohnung zurück, ohne die
           zumindest eine unklare Verkehrslage angenommen und seine Fahr-  erforderlichen Unfallfeststellungen treffen zu lassen.
           weise entsprechend eingerichtet“, begründet das OLG weiter.
             Angesichts des gleichwertigen Verursachungs- und Verschuldens-  Als die Klägerin im März 2018 beim Beklagten die Neuerteilung
           beitrags habe das Landgericht von einer Haftungsquote von 50 %   der Fahrerlaubnis beantragte, forderte er von ihr die Beibringung
           zu 50 % ausgehen dürfen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.  eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sie habe am
                                                              2. April 2015 wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr
           (Oberlandesgericht Frankfurt am Main,              unter Alkoholeinfluss begangen, die Zweifel an ihrer Fahreignung
           Urteil vom 20.11.2023 – 17 U 121 ⁄ 23)             begründeten. Zwischen den beiden Fahrten liege mit dem Ausstei-
                                                              gen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine
                                                              Zäsur. Da die Klägerin das Gutachten nicht beibrachte, lehnte der
           Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)      Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab. Das VG Düsseldorf hat ihre
           bei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter      Klage abgewiesen. Das OVG hat diese Entscheidung geändert und
             Alkoholeinfluss                                  den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Bei
                                                              dem Geschehen am 2. April 2015 habe es sich nicht um wiederhol-
                                                              te Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im
           Keine MPU-Pflicht bei Weiterfahrt unter Alkoholeinfluss    Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gehandelt. Das setze
           nach Unfall                                          voraus, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise zu mindestens
                                                              zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunkenheitsfahrten ge-
           Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkohol-  kommen sei. Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrach-
           einfluss im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-   ten der Fahrzeuge habe es sich nur um eine kurzzeitige Unterbre-
           Verordnung (FeV), die die Aufforderung zur Beibringung eines   chung gehandelt, die – auch in der Gesamtbetrachtung mit der
             medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen, liegen nur   vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf – keinen neuen
           dann vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren   und eigenständigen Lebenssachverhalt begründet habe.
           Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine
           oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat. Das hat
           das Bundes verwaltungs gericht entschieden.






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