Page 20 - Taxikurier März 2024
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HISTORISCHES MÜNCHEN

            ➔ FIAKER-ORDNUNG VON 1835





           Regularien in der Haupt- und Residenzstadt München – Von Benedikt Weyerer



           Im Jahr 1835 lebten rund 75.000 Menschen in München. Die Haupt- und Residenzstadt des Königreiches Bayern  beherbergte
           im Vergleich zum restlichen Land überdurchschnittlich viele finanziell gut gestellte  Bürger. Als Universitätsstadt seit 1826
           und als Verwaltungszentrum seit Jahrhunderten verfügte München über eine hohe Kaufkraft, während die weniger verdie-
           nende Bevölkerung prozentual nicht so stark vertreten war wie beispielsweise in den  werdenden Industriestädten Augsburg
           und Nürnberg. Nach dem Abriss der mittelalterlichen Stadtmauern bildeten sich allmählich neue Vorstädte:


             Die Ludwigsvorstadt [Erstnennung   werden.“ Die Vorstadt Au, zu der man auch     Paragraf 4: „Die Aufnahme der Fiaker und
             1804], Isarvorstadt [1812] und Max-  Giesing und Haidhausen zählte, wurde erst   die Ausstellung der Erlaubnisscheine sowie
             vorstadt [1812], wo zahlreiche reprä-  am 1. Oktober 1854 nach München einge-  die alleinige Leitung der Fiaker-Anstalt
             sentative Gebäude, auch Wohnhäuser   meindet, war aber im Jahr 1835 mit rund     obliegt der königliche Polizei. Die Bedin-
             entstanden. Das Lehel gehörte noch   10.000 Einwohnern die zehntgrößte Stadt   gungen zur Aufnahme als Fiaker sind:
             nicht dazu, weil die ungebändigte Isar   in Bayern. Und das Königreich Bayern be-  1)  Die Ansässigkeit in München oder
             eine städtische Bebauung dort nicht   stand damals aus dem heutigen Bayern   in der Vorstadt Au.
               zuließ. Dies änderte sich erst, als der   plus bis zum 30. August 1946 aus großen   2)  Die Nachweisung eines hinlängliche
             Fluss seit 1850 kanalisiert wurde und in   Teilen des heutigen Bundeslandes Rhein-    Vermögens.
             der Folge der Grundwasserspiegel sank.   land-Pfalz. In der Au lebten die ärmeren   3)  Der Besitz verlässiger Pferde, eines
             Davor lebte in der Vorstadt Lehel der   Schichten der Bevölkerung, die nur zum Ar-    guten Wagens und brauchbarer
               ärmere Teil der Bevölkerung. Angemerkt   beiten in die Hauptstadt München kommen     Geschirre.
             sei noch, dass die Eisenbahn erst im   durften. Bis Ende 1918 besaßen nur Men-  4) Ein guter Leumund.“
             Jahr 1839 nach München kam.     schen ab einem gewissen Vermögen das
                                             Bürgerrecht der Stadt München. Das Pend-  Fuhrpark und Wagenführer
                                             lerwesen von rechts der Isar in die Stadt
           Fiaker                            hinein wurde ermöglicht durch die zwei da-  In Paragraf 5 wurde recht unkonkret zum
                                             mals bestehenden Brücken: die Ludwigs-  Fuhrpark festgelegt: „Der Besitz von verläs-
           Die damalige Taxifahrer hießen „Lohnkut-  brücke, der München 1158 seine Erhebung   sigen Pferden, eines guten Wagens und
           scher“ oder „Fiaker“. Der Begriff „Fiaker“   zur Stadt verdankte, sowie die neu errich-  brauchbarer Geschirre wird durch den
           bezeichnet ein Fuhrwerk, das man sich zum   tete Reichenbachbrücke von 1832, die die     Augenschein von Sachverständigen her-
           Personentransport mieten konnte, hat sich   Au mit der Isarvorstadt verband.  gestellt. Auch werden die Wagen, die Ge-
           dann aber auch auf den Lohnkutscher als                             schirre und die Pferde der Fiaker öfters
           Person ausgedehnt, der vorne hinter seinen                            untersucht werden.“ In Paragraf 6 erfährt
           Pferden auf dem Bock saß. Das Wort be-  Konzession und Erlaubnisschein  man: „Ein autorisierter Fiaker kann, wenn
           zieht sich auf das Pariser Hôtel Saint                              er des Fahrens kundig ist, entweder selbst
             Fiacre, in dem im 17. Jahrhundert ein Ver-  Die nächsten Paragrafen regeln die engen   fahren oder einen eigenen Knecht aufstel-
           mittlungsbüro für Lohnkutschen arbeitete.   Grenzen der Zulassung zum Gewerbe des   len. Ein solcher Knecht muss einen guten
           Im Jahr 1835 erließ die hiesige Polizei-    Fiakers. Paragraf 2: „Das Fiaker-Gewerbe   Leumund besitzen, wenigstens 18 Jahre
           direktion eine „Fiaker-Ordnung für die   wird mit zweispännigen Wagen ausgeführt.   alt, des Fahrens kundig und gut gekleidet
           Haupt- und Residenzstadt München“, um   Die Autorisation zur Haltung eine Fiaker-   sein. Er erhält einen eigenen Dienstaus-
           das Gewerbe in der schnell wachsenden   Wagens wird durch widerrufliche und jähr-  weis, welcher in der Form der Dienstboten-
           Stadt zu regulieren.              lich zu erneuernder Erlaubnisscheine   bücher ausgestellt wird und die Personal-
                                               erteilt. Ohne den Besitz eines solchen   beschreibung des Fuhrmannes enthält. Der
                                             Scheines kann auch dem konzessionierten   Knecht ist verbunden, diesen Ausweis im-
           Personenkreis                     Lohnkutscher die Aufstellung eines Fiakers   mer bei sich zu tragen und denselben auf
                                             nicht gestattet werden.“ Paragraf 3: „Ein   Verlangen den Abgeordneten der königli-
           Paragraf 1 bestimmte den Personenkreis,   solcher Fiaker übernimmt zugleich die Ver-  chen Polizeidirektion vorzuzeigen.“ Para-
           der zum Lohnkutschen in Frage kam:  bindlichkeit, sich genau an die Vorschriften  graf 15 besagt: „Der Fiaker kann einen oder
                                             der gegenwärtigen Fiaker-Ordnung zu hal-  mehrere Wagen halten. Jeder dieser Wagen
           „Zum Fiakern in München können sowohl   ten, unterliegt beim Ungehorsam den be-  muss aber reinlich, gut gebaut und mit
           die dahier und in der Vorstadt Au konzessi-  stimmten Strafen, und kann im Laufe des     einer eigenen Nummer versehen sein. Die
           onierten Lohnkutscher als auch andere da-  Jahres ohne die polizeiliche Genehmigung   Bewilligung zur Haltung mehrerer Wagen
           selbst angesessene Einwohner zugelassen   sein Fiaker-Gewerbe nicht aufgeben.“   muss ausdrücklich nachgesucht und in der




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