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GESCHICHTE
➔ KRIEGE DES 20. JAHRHUNDERTS
Die Auswirkungen der Kriege – Von Benedikt Weyerer
Der Erste Weltkrieg dauerte vom 1. August 1914 bis zum 11. November 1918 und ging für Deutschland verloren.
Auf ihn war lange ideologisch hingearbeitet worden, selbst bei den Straßenschildern, wie die vorausgegangenen Kapitel
verdeutlichen, und sein Verlauf wurde zu dem traumatischen, kollektiven Erlebnis schlechthin.
Mehr als neun Millionen Soldaten führte in ganz Deutschland zu Straßenbe- Gesang von ‚Deutschland über alles’ schloss
starben, darunter über zwei Millionen nennungen nach dem Feldherren, die nicht der stimmungsvolle Akt.“
aus Deutschland, fast 1,5 Millionen aus nur ihn als Person ehren, sondern auch der
Österreich-Ungarn, über 1,8 Millionen sinkenden Kriegsbegeisterung entgegen-
aus Russland, annähernd 460.000 aus steuern sollten. Der Münchner Magistrat Hindenburg als Reichspräsident
Italien. Frankreich hatte über 1,3 Millio- einigte sich 1917 auf die Umbenennung
nen, Großbritannien rund 750.000 mili- der Landshuter Allee in Hindenburgstraße Am 26. April 1925 wurde der eingefleischte
tärische Todesfälle zu beklagen. Die Zahl und König Ludwig III. (1845–1921) ließ Monarchist und Feind der Demokratie zum
der Verwundeten überstieg diese An- am 29. September 1917 seine allerhöchste Reichspräsidenten der demokratischen Wei-
gaben bei Weitem. Diese Katastrophe Genehmigung per Telegramm aus seinem marer Republik gewählt. Anlässlich Hinden-
schlug sich auch in den Straßenbenen- Schloss in Berchtesgaden mitteilen, und burgs 80. Geburtstag erhielt am 17. No-
nungen nieder: so besaß auch München anlässlich des vember 1927 der Kreuzungsbereich der
70. Geburtstages des Heerführers seine Leonrod- ⁄ Hindenburgstraße die Bezeich-
Im Gegensatz zu früher, als es nur deutsche Hindenburgstraße: „Zu Ehren des General- nung Hindenburgplatz. Am 30. Januar 1933
oder bayerische Siege zu Straßenehren Feldmarschalls von Hindenburg, geboren schließlich ernannte Hindenburg Adolf
brachten, erschienen nun dort auch Nieder- den 2. Oktober 1847 zu Posen.“ Hitler (1889–1945) zum Reichskanzler und
lagen. Hierbei griff später eine Militarisie- starb am 2. August 1934, ohne die Konse-
rung um sich, die für heutige Verhältnisse quenzen seines Handels miterleben zu
unvorstellbar erscheint, die Straßenpläne Schulfeier müssen.
ganzer Stadtviertel wurden dem Ersten
Weltkrieg gewidmet. Die Benennungen Am 7. November 1917 fand eine Feier mit
waren aber nicht als Ausdruck des „Nie Schulkindern, deren Väter und ältere Brü-
mehr wieder!“ gemeint, sondern im Gegen- der gerade in großer Zahl an der Front als
teil als Aufforderung, in einem unmittel bar Kanonenfutter verheizt wurden oder bereits
seit Kriegsende erneut vorbereiteten worden waren, an der neu benannten Stra-
Waffengang die Gegner zu besiegen, und ße statt. Die „Nymphenburger Zeitung und
dieses Mal allerdings endgültig. Neuhauser Nachrichten“ berichteten: „Eine Rückbenennung
Hindenburg-Huldigung in der neuen Hin-
denburgstraße. Am Dienstag Vormittag bot Nach ihrem Einmarsch in München am
Stimmungsbild 1917: sich in der Landshuter Allee, der nunmehri- 30. April 1945 forderte die US-Armee die
Die Hindenburgstraße gen Hindenburgstraße in Neuhausen, ein Stadtverwaltung am 25. Juni 1945 auf, bis
reizendes Bild. Nachdem zuvor im Hofe der spätestens 4. Juli 1945 sämtliche Plätze
Unter Führung von General Paul von Dom-Pedro-Schule eine kleine Hinden- und Straßen, die an Personen oder Motive
Beneckendorff und Hindenburg (1847– burg-Feier abgehalten war, machten die des Dritten Reiches erinnerten, umzube-
1934) wurde gleich zu Beginn des Krieges, Hunderte von Schülern und Schülerinnen nennen und bis zum 31. August 1945 mit
Ende August 1914, eine russische Armee (die Knaben mit Fahnen, die Mädchen mit neuen Schildern zu versehen. Und unter
beim ostpreußischen Tannenberg geschla- Blumen) mit ihren Lehrkräften einen Um- diesen Erlass fiel natürlich auch Hinden-
gen. Hindenburg stieg zum Generalfeldmar- zug in die Hindenburgstraße, in deren Mit- burg. Aber erst am 5. Februar 1946 be-
schall auf und wurde zum nationalen Über- te ein Lehrer eine Ansprache hielt, wobei nannte der Stadtrat die Straße wieder in
vater der Deutschen. Hindenburg schien er u.a. darauf hinwies, dass diese schöne Landshuter Allee um und den Kreuzungsbe-
den meisten Deutschen das sichere Gefühl Straßenzeile von nun ab den unsterblichen reich in Platz der Freiheit: „Ehrung der Op-
zu geben, sie in eine erstrebenswerte Zu- Namen unseres großen Feldherrn Hinden- fer des Dritten Reiches.“ Über die befremd-
kunft führen zu können. Diese militärisch burg, des Retters des Vaterlandes, führen liche Tatsache, dass sich in zahlreichen
und auch politisch zentrale Rolle Hinden- wird. Begeistert und jubelnd stimmten die deutschen Gemeinden heute immer noch
burgs zusammen mit dem nicht eintreten Jugend und die Zuschauer in das Hurra auf Straßen nach Hindenburg finden, kann in
wollenden Sieg des Deutschen Reiches den Gefeierten ein. Mit dem allgemeinen diesem Rahmen nicht eingegangen werden.
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