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STADTKUNDE MÜNCHEN
➔ DER LAUF DER DINGE …
Vom Augustiner-Kloster zum Polizeipräsidium – von Benedikt Weyerer
Wie so oft in der Altstadt, wechselten die Namen für einzelne Straßen im Lauf der Zeit, so auch die heutige
Bezeichnung Ettstraße. In seinem 1894 erschienen Werk „Die Münchener Straßennamen und ihre Erklärung“ berichtet
Karl Graf von Rambaldi (1842–1922, Rambaldistraße von 1930) über deren Namengeber:
„Verbindet die Neuhauser Straße Entwicklung Löwengrube
zwischen der Michaelskirche und der
Mauthalle. In der Michaelskirche wirkte Rambaldi weiter: „Ursprünglich hieß diese Etwas jüngeren Datums ist die Löwengrube
Jahrzehnte hindurch als Organist ein Straße ,Steindlgasse’ [nach einem hier aus dem 17. Jahrhundert. Rambaldi:
Mann, welcher in der Geschichte der l ebenden Musiker, d.V.], dann vom Ende des „Sie wird entweder nach einem ehemaligen
Musik eine hervorragende Rolle ein- 16. bis zum 18. Jahrhundert ,Enge Gasse’, vergoldeten Löwen an einem Hause, das
nimmt. Wir meinen den Wiedererwecker weil sie, zwischen der Michaelskirche der früher ,Zum bayerischen Hof’ hieß, genannt
der kirchlichen Tonkunst strengen Stiles Jesuiten und dem Kloster der Augustiner oder, was wahrscheinlicher, nach einem
Kaspar Ett, geboren 5. Januar 1788 gelegen, durch den weit hereintretenden vormaligen Freskobilde, das ,Daniel in der
zu Eresing in Oberbayern, gestorben Garten der letzteren sehr beengt war. Nach Löwengrube’ darstellte. Die Löwengrube
16. Mai 1847 zu München. Beseitigung dieses Verkehrshindernisses er- hieß ehedem vorübergehend auch ,Enge
hielt die Straße den Namen ,Weite Gasse’, Gasse außerhalb der Stadt’.“ Warum „außer-
Die herrliche Kompositionen des Mittel- um den Gegensatz hervorzuheben. Bei der halb der Stadt“ wird sich gleich zeigen.
alters waren längst in Vergessenheit gera- Säkularisation des Augustinerklosters 1803 Auf alle Fälle kann man sehen, wie interes-
ten, die alten Notenzeichen kannte man brach man dessen westliche Gartenmauer sant die Beschäftigung mit der Vergangen-
nicht mehr. Ett fand den Schlüssel zu die- ab, wodurch der jetzige freie Platz entstand. heit ist, weil sich nämlich im Haus Nummer
sen Zeichen und dieser Schlüssel ward in Die Straße führt ihren Namen seit 6. April 17 eine Brauerei befand. Als „Löwenbräu“
seiner Hand ein Zauberstab, mit welchem 1886.“ Kurzum: Heute eine kurze Straße von wurde sie 1746 erstmals mit diesem Namen
er ein in Todesschlummer erstarrtes Meer 120 Metern Länge und ungewöhnlicher Brei- erwähnt und verlegte 1826 aus Platzgrün-
von Tönen wundersamer Art wieder zum te, mit bedeutendem Namengeber sowie den ihren Betrieb an die Nymphenburger
Leben erweckte. Alsbald erklangen auf dem einem Stand für „4 Taxen in 2 Reihen“, wie Straße 4.
Chor der St. Michaelskirche tiefernste Wei- das Verkehrszeichen 229 ausweist. Die ein-
sen voll von religiöser Weihe, mächtig das zige Adresse, nämlich das Polizeipräsidium
Herz ergreifend, unwillkürlich zur Andacht mit der Hausnummer 2, gab es allerdings Augustinerstraße
stimmend, und diese wundervolle erhabene bei Drucklegung von Rambaldis verdienst-
Vokalmusik verdrängte nicht bloß auf dem vollem Buch im Jahr 1894 noch nicht. Rambaldi schreibt über die vor dem Jahr
Chore der St. Michaelskirche dahier, son- 1523 namentlich erwähnte Straße: „Im
dern allmählich auch andernwärts die Ge- Westen außerhalb der Stadt dehnte sich in
schmacksverirrung, welche einschmeicheln- Das Augustinerkloster: alter Zeit Besitzungen des Klosters Schäft-
der Kammermusik-Stil in die Kirchen Neuhauser Straße larn aus, auf welchen Feldbau betrieben
verpflanzt hatte. Ett hat übrigens nicht wurde. Herzog Ludwig der Strenge [1229–
bloß das Verdienst, dass er die klassische Das Augustiner-Kloster lag im Geviert von 1294] baute nun 1281 für die Eremiten-
Kirchenmusik strengen Stiles wieder zu vier Straßen: Neben der Ettstraße an der brüder des Ordens des heiligen Augustin zu
Ehren brachte, er wirkte auch durch seine Neuhauser Straße. Diese verlief als Teil der jenem kleinen Gotteshaus ein Klösterchen,
zahlreichen und herrlichen Kompositionen, wichtigen Verkehrsader der Salzstraße, der welches anfänglich sehr klein gewesen sein
welche im Geiste der alten Meister ge- München 1158 seine Gründung verdankte, mag, denn schon wenige Jahre darauf fass-
schrieben sind, veredelnd auf die Mit- und damals außerhalb der Stadt vom westlichen te dessen Sohn, Herzog Rudolf der Stamm-
Nachwelt.“ So weit Rambaldis subjektive Tor in Richtung des genannten Dorfes und ler [1274–1319, Herzog-Rudolf-Straße von
Meinung zur Musik der guten, alten Zeit. wurde erst im 14. Jahrhundert mit der 1881], wie aus dem Wortlaute der Stif-
Stadterweiterung zu einem innerstädti- tungs urkunde vom 4. April 1294 hervor-
schen Verkehrsweg. Der uralte Name er- geht, den Entschluss, für sich und namens
scheint erstmals um 1250 in den Aufzeich- seines Bruders Ludwig, den Augustinern ein
nungen und die Lage des Tores erkennt neues, größeres Kloster zu bauen. Es ist
man heute noch am scheinbar unmotivier- wohl anzunehmen, dass dieser Bau schon
ten Wechsel des Straßennamens Kaufinger- längere Zeit vor Errichtung der Stiftungs-
straße zu Neuhauser Straße. urkunde begonnen worden sein wird, denn
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