Page 24 - Taxikurier Dezember 2024 und Januar 2025
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schont, 1620 musste die Gotik der Renais- Das Deutsche Jagdmuseum eröffnete 1938 Das Polizeipräsidium
sance weichen. (…) Die großartige Kirche im Nordflügel des Schlosses Nymphenburg
ist seit 1804 als Mauthalle verwendet.“ und zog als Deutsches Jagd- und Fischerei- Das ehemalige Augustinerkloster befand
Alle Händler, die ihre Waren in die Stadt museum 1966 in die ehemalige Augustiner- sich seit 1803 in staatlicher Hand, weswe-
brachten, mussten in der nunmehr weltlich kirche an der zentralen Neuhauser Straße 2 gen das Königreich Bayern über die ausge-
genutzten Halle ihre Waren deklarieren und um, wo ein Wildschwein symbolisch auf die dehnte Immobilie verfügen konnte. Nach
entsprechende Maut, also Zölle zahlen. Jagd und ein Waller stellvertretend auf die dem Auszug der Justizbehörden wurde ein
Mit der Gründung des Deutschen Zollver- Fischerei hinweisen. Seit 1973 ist das deutschlandweiter Architektur-Wettbewerb
eins im Jahr 1834 ging die Finanzhoheit Bayerische Denkmalschutzgesetz in Kraft, für das neue Polizeipräsidium ausgeschrie-
der bayerischen Städte auf das nunmehrige dessen Artikel 1 Denkmäler definiert als ben, dessen vorgegebene Koordinaten
Königreich Bayern über und die Augusti- „von Menschen geschaffene Sachen oder einen mindestens vier- bis fünfstöckigen
ner kirche verlor ihre Funktion. Teile davon aus vergangener Zeit, deren Neubau mit fünf Innenhöfen forderten,
Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, um alle polizeilichen Funktionen der rasch
künstlerischen, städtebaulichen, wissen- wachsenden Großstadt unterbringen zu
Abriss oder Erhalt? schaftlichen oder volkskundlichen Bedeu- können. Lediglich der Erhalt beziehungs-
tung im Interesse der Allgemeinheit liegt.“ weise der Abriss der Kirche blieb den
Das jetzt ungenutzte Gebäude im Besitz Die Augustinerkirche steht in der Denkmal- einzelnen Konzepten überlassen.
des Staates fiel in einen Dornröschenschlaf schutzliste verzeichnet: „Sankt Johannes
und stand jahrzehntelang vor dem Abriss. der Täufer und Johannes der Evangelist, 80 Büros reichten ihre Entwürfe für das
Inzwischen gewann aber der Gedanke des gotische Basilika (Ende 13.–15. Jahrhun- lukrative Projekt ein. Theodor Fischer ging
Denkmalschutzes an Einfluss, gerade auch, dert), 1619 ⁄ 1620 von Veit Schmidt früh- als Sieger hervor und schlug den Neubau in
weil dieser vom bayerischen Königshaus barock umgestaltet, 1803 profaniert (soge- seiner heutigen Form vor, und zwar unter
gefördert wurde. Beispielsweise bemühten nannter Augustinerstock), 1914 ⁄ 1915 von Erhaltung der Klosterkirche, so wie er es
sich 1860 etliche Anwohner des Rinder- Theodor Fischer verändert und umgebaut, bereits 1896 angedacht hatte. Die alten
marktes um eine Umbenennung ihrer enthält das Deutsche Jagd- und Fischerei- Gebäude wurden abgerissen und es ent-
Adresse, weil diese ihnen als Städter zu museum, Läden und zum Teil Amtsräume stand der Neubau, über den es heute in der
ländlich und daher nicht vornehm genug des Polizeipräsidiums.“ Denkmalschutzliste heißt: „Polizeipräsidi-
erschien. Der städtische Magistrat unter- um: weitläufiger, historisierender Komplex,
stützte das Ansinnen, aber er unterstand mit Anklängen an Altmünchner Bauformen,
der königlichen Regierung von Oberbayern Bevölkerungsentwicklung von Theodor Fischer, 1910–1913; an der
und diese wiederum der Regierung des Ettstraße Einfriedung und Portal mit lie-
Staates, die kurz darauf „Im Namen Seiner Im Jahr 1800 lebten rund 40.000 Men- genden Löwenfiguren von Bernhard Blee-
Majestät des Königs von Bayern“ Maximi- schen in München, die meisten von ihnen ker, bauzeitlich; baulich im Zusammenhang
lian II. (1811–1864, Maximilianstraße von innerhalb des heutigen Altstadtringes. mit der ehemaligen Augustinerkirche
1858) unmissverständlich mitteilte: „Unter Mit dem Abriss der mittelalterlichen Befes- (Neuhauser Straße 2).“ Der Bildhauer Blee-
Rückgabe der vorgelegten Akte wird dem tigungsanlagen aus dem 14. Jahrhundert ker (1881–1968) schuf zahlreiche monu-
Stadtmagistrat auf Grund Beschließung des entwickelten sich die Vor-Städte Maxvor- mentale Figuren, etwa den „Schlafenden
königlichen Ministeriums des Innern eröff- stadt, Ludwigsvorstadt, Isarvorstadt sowie Krieger“ im 1924 eröffneten Kriegerdenk-
net, dass sich diese höchste Stelle nicht das Lehel, später kamen mit den Einge- mal im Hofgarten. Über dem Haupteingang
veranlasst gefunden hat, eine Änderung meindungen seit 1854 Haidhausen, Gie- des Präsidiums an der Ettstraße liest man
der seit langer Zeit üblichen und mit der sing, die Vorstadt Au und so weiter hinzu. die Inschrift „NACH SEINEM SINNE LEBEN
Geschichte der Stadt München zusammen- IST GEMEIN ⁄ DER EDLE STREBT NACH ORD-
hängenden Bezeichnung des Rindermarktes So kam es, dass 1820 schon 60.000, 1850 NUNG UND GESETZ.“ Dieses sinnvolle Motto
eintreten zu lassen.“ Im Jahr 1896 schließ- bereits 100.000, 1870 160.000 und 1900 gegen den individualistischen Egoismus
lich legte der renommierte Architekt dann 500.000 Menschen in der Stadt lebten, entstammt der Feder des Dichterfürsten
Theodor Fischer (1862–1918, Theodor- schließlich zählte München 1910 fast Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832,
Fischer-Straße von 1947) Entwürfe zur 600.000 Bewohner. Dieses explosive Wachs- Goethestraße von 1865, Goetheplatz von
Nutzung des altes Gebäudes vor, zum tum erforderte eine entsprechende Zunahme 1876), über den Rambaldi schreibt: „(…)
Beispiel als Konzertsaal im Herzen der des Polizei- und Justizwesens. Die Justizbe- einer der größten Dichter und Geister aller
Stadt. Sein Kollege Gabriel von Seidl hörden und das Justizministerium befanden Zeiten. Goethe verdient, dass sein Name in
(1848–1913, Seidlstraße von 1908) ver- sich im staatlich enteigneten Augustiner- der größten Stadt Süddeutschlands so gut
fasste 1906 eine Denkschrift zum Erhalt kloster, bis sie diesen maroden und zuneh- wie im übrigen Deutschland in Ehren ge-
der ehemaligen Kirche, denn um die Jahr- mend einengenden Standort im Jahr 1897 halten werde. Seine Werke sind ein uner-
hundertwende herum wurden große Teile verlassen und in den neuen, prachtvollen schöpflicher Quell geistiger Bildung.“ Und:
der Bausubstanz der Altstadt abgerissen Justizpalast an der Prielmayerstraße 7 um- Bis heute zeigt die Baulinie des Polizeiprä-
und durch Neubauten ersetzt. Bei der Au- ziehen konnten. Die Polizeidirektion musste sidiums an der Augustinerstraße weiterhin
gustinerkirche bestanden aber offenbar sich ebenfalls räumlich immer stärker ein- den Verlauf der Stadtmauer aus der zweiten
Bedenken aus Gründen der Pietät und schränken: Ihr Standort an der Weinstraße Hälfte des 12. Jahrhunderts.
letztlich setzte sich Seidl durch: Die Kirche 13, dort wo heute nördlich des Neuen Rat-
wurde nach Umbauten in den Neubau des hauses die Baustelle der zweiten S-Bahn-
Polizeipräsidiums einbezogen, doch dazu Röhre liegt, genügte den vielfältig wachsen-
später. den Anforderungen immer weniger.
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