Page 22 - Taxikurier April 2024
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfall:
Alkohol am Steuer spricht für Unfallverursachung
Haftungsverteilung von 75 % zu 25 % zu Gunsten der Klägerin
Ereignet sich ein Unfall in einer Verkehrslage und unter Umstän-
den, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können, spricht
ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Trunkenheit für den Unfall
ursächlich war. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG)
hat einer schwer verletzten Fußgängerin Schmerzensgeld in Höhe Grad des Verschuldens und der unfallbedingten Arbeitsunfähig keit
von 52.500 Euro und Schadensersatz – jeweils unter Berücksich- sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro angemessen.
tigung einer Mithaftung von 25 % – zugesprochen. Nach Abzug ihres Mitverschuldensanteils von 25 % bleibe ein
Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 52.500 Euro gegen den
Die Klägerin nahm den Beklagten auf Schadensersatz und Schmer- Beklagten neben den zu erstattenden materiellen Schäden. Die
zensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Beklagte fuhr Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
mit seinem Fahrzeug alkoholisiert mit 0,96 Promille stadteinwärts
in einer mittelhessischen Kleinstadt. Die Klägerin überquerte mit (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2024 –
weiteren vier Personen die vom Beklagten befahrene Straße. Noch 26 U 11 ⁄ 23)
bevor sie die in der Mitte der zwischen den Fahrbahnen befindli-
che Verkehrsinsel erreichte, wurde sie vom Fahrzeug des Beklagten
erfasst und in die Höhe geschleudert. Sie erlitt diverse schwere Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
Verletzungen. Das Landgericht hatte der Klage auf Basis einer wegen verweigerter Herausgabe der Rohmessdaten
Haftungsquote von 50 % stattgegeben. und Bedienungsanleitung
Ein nüchterner Fahrer hätte rechtzeitig gebremst Unangemessenheit der Durchsuchung des Polizeipräsidiums
Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte teilweise Verweigert die Polizei trotz entsprechenden Antrags des Verteidi-
Erfolg. Auf Basis einer Haftungsquote des Beklagten in Höhe gers und Anordnung des Gerichts die Herausgabe der Rohmessda-
von 75 % sprach das OLG der Klägerin u.a. ein Schmerzensgeld ten und der Bedienungsanleitung, ist das Ordnungs widrigkeiten-
in Höhe von 52.000 Euro zu. Der Beklagte habe gegen das allge- verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen. Die Durchsuchung
meine Rücksichtnahmegebot verstoßen, weil er nicht gebremst des Polizeipräsidiums erscheint unangemessen. Dies hat das Amts-
habe. Zudem sei er ganz erheblich alkoholisiert Auto gefahren. gericht Dortmund entschieden.
Auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Klägerin habe er nicht
vertrauen dürfen - unter anderem wegen der eigenen regelwidrigen Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen eines
Trunkenheit. Es sei davon auszugehen, dass ihm der Verkehrsver- Ordnungswidrigkeitenverfahrens vor dem Amtsgericht Dortmund im
stoß unterlaufen sei, da er alkoholisiert gewesen sei. Insoweit Jahr 2023 verfügte das Gericht die Herausgabe der Rohmessdaten
spreche ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit und Bedienungsanleitung an den Verteidiger. Einen entsprechen-
für einen Unfall, „wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter den Antrag hatte der Verteidiger schon im Verwaltungsverfahren
Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern kön- gestellt. Eine Herausgabe erfolgte jedoch nicht.
nen“. So liege es hier. Angesichts der freien Sicht für den Beklagten
bestehe kein Zweifel, dass „ein nüchterner Fahrer die Gruppe um
die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte“. Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
Das Amtsgericht Dortmund stellte das Verfahren gemäß § 47
Fußgängerin muss sich Mitverschulden anrechnen lassen Abs. 2 OWiG auf Kosten der Staatskasse ein. Eine neuerliche
Fortsetzung der Hauptverhandlung und Durchsuchung des Poli-
Die Klägerin müsse sich jedoch ein Mitverschulden in Höhe von zeipräsidiums zur Datenbeschaffung erscheine unangemessen.
25 % anrechnen lassen. Der Beklagte sei für sie erkennbar gewe-
sen, als sie die Fahrbahn betreten habe. Unter Berücksichtigung (Amtsgericht Dortmund, Beschluss vom 14.12.2023 –
der Schwere der Verletzungen, des dadurch bedingten Leidens, des 729 OWi 135 ⁄ 23)
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